Die Linke fordert konsequente Neuausrichtung der Wohnungspolitik in Gießen
Die Linke Gießen begrüßt die Entscheidung des Landes Hessen, Gießen ab November 2025 offiziell als Gebiet mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ einzustufen – auch wenn sie viel zu spät kommt. Die Fakten lagen seit Jahren offen. Schon 2022 machten das Bündnis Stadt für Alle und der Mieterverein auf Missstände aufmerksam. Als etwa ein Wohnhaus in zentraler Lage mit studentischen Mieter:innen auf eBay zum Verkauf angeboten wurde – samt Tipps, wie neue Eigentümer:innen die Rendite durch Umnutzung als Monteurswohnungen steigern können – nannte Sozialdezernent Francesco Arman (SPD) das einen „Einzelfall“. Heute steht fest: Das war keiner. Das war symptomatisch für einen Markt, der längst aus dem Ruder lief.
Die Stadt hat über Jahre Warnungen aus der Zivilgesellschaft ignoriert und Maßnahmen verweigert. Noch im Mai wurden im Sozialausschuss konkrete Instrumente wie ein Leerstandsregister und eine Stelle zur Kontrolle von Mietwucher abgelehnt. Währenddessen zahlt die Stadt weiter Miete für leerstehende Räume im Seltersweg – ursprünglich für Kitas vorgesehen, aber bis heute ungenutzt. In einer Zeit, in der bezahlbarer Wohnraum Mangelware ist, stehen kommunale Flächen leer. Das ist nicht nur ineffizient, sondern zynisch gegenüber all jenen, die händeringend eine Wohnung suchen. Sinnbildlich für eine Wohnungspolitik, die versagt hat.
„Die Entscheidung ist kein politischer Erfolg, sondern ein Offenbarungseid – und eine Bankrotterklärung für die Wohnungspolitik der Stadt“, sagt Maurice Jelinski, Co-Vorsitzender von die Linke Gießen.
„Noch im Mai behauptete Arman öffentlich, es gebe keinen angespannten Wohnungsmarkt. Jetzt zeigt sich: Diese Realitätsverweigerung hat konkrete Folgen für Mieter:innen in Gießen.“
Was die Einstufung bedeutet – rechtlich und politisch

Die Einstufung Gießens als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt hat mietrechtliche Auswirkungen zur Folge. Dazu zählen u. a. eine Mietpreisbremse bei Neuvermietungen: max. 10 % über ortsüblicher Vergleichsmiete (§ 556d BGB),eine abgesenkte Kappungsgrenze: max. 15 % Mieterhöhung in drei Jahren (§ 558 Abs. 3 S. 2 BGB) und eine verlängerte Kündigungsschutzfristen bei Umwandlung in Eigentum (§ 577a BGB).
Diese Regelungen entfalten ihre Wirkung aber nur, wenn die Kommune sie aktiv begleitet. Ohne kommunales Handeln bleibt die Einstufung wirkungslos. Die bisherigen Äußerungen aus dem Magistrat lassen nicht erkennen, dass man sich dieser Verantwortung stellen will.
Unsere Forderungen an den Magistrat – jetzt handeln statt beschönigen:
- Kontrollstelle für Mietpreisbremse und Mietwucher schaffen – mit Anlaufstelle für Mieter:innen
- Unabhängige Weiterentwicklung des Mietspiegels für effektive Transparenz und Kontrolle
- Systematische Datenerhebung zu Leerstand, Mietniveau und Umwandlungen sicherstellen
- Kommunales Leerstandsregister schaffen und öffentlich zugänglich machen
- Zweckentfremdungs- und Umwandlungsverbote durch kommunale Satzungen umsetzen (§ 1 Abs. 1 ZwEWG Hessen, § 250 BauGB)
- Mietstopp bei der kommunalen Wohnbau durchsetzen
- Milieuschutzsatzungen (§ 172 BauGB) prüfen, um soziale Verdrängung in in zentralen Lagen zu verhindern
„Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem sich zeigt, ob der Magistrat soziale Verantwortung übernimmt – oder weiter Politik im Interesse von Investoren und Eigentümer:innen betreibt“, sagt Natalie Maurer, Co-Vorsitzende von die Linke Gießen. „Wir fordern eine konsequente Neuausrichtung der Wohnungspolitik in Gießen – mit klarer Priorität für die Bedürfnisse der Mieter:innen.“