Am vergangenen Abend, am 12. Februar, fand im Rahmen der Veranstaltung „Bitte mit dem Busfahrer sprechen“ eine spannende Podiumsdiskussion – untern anderem über die Arbeitsbedingungen im ÖPNV – mit dem Bundestagsabgeordneten Jörg Cezanne, der Landesvorsitzenden und Direktkandidatin für Gießen, Desiree Becker, sowie dem Busfahrer der mitbus GmbH, Ahmed Arslan, statt. Moderiert wurde der Abend von Lena Schmidt vom Landesvorstand der Linken Gießen. Im Mittelpunkt der Diskussion standen neben den Arbeitsbedingungen auch die Herausforderungen im Berufsalltag der Busfahrer:innen sowie die politischen Rahmenbedingungen und Reformvorschlägen.
Arbeit am Limit – Alltag der Busfahrer:innen
Ahmed Arslan berichtete eindrucksvoll von den Herausforderungen seines Berufsalltags: „Wir haben Glück, dass wir einen Betriebsrat haben,“ erklärte er, betonte aber gleichzeitig, dass lange Dienste, kaum bezahlte Pausen und zu wenig Zeit für Toilettengänge auf die Psyche schlagen und das Familienleben stark belasten. Durch Schichtdienste von früh bis spät bleibt oft kaum Zeit für das Privatleben. Erschwerend kommen unbezahlte Pausen und fehlende Toiletten an den Endhaltestellen hinzu. „An jeder Endhaltestelle sollte es Toiletten geben, aber bei den meisten privaten Anbietern gibt es die nicht,“ schilderte Ahmed.
Desiree Becker pflichtete bei und machte klar: „Wenn ich auf der Arbeit keine Toilette hätte, wäre was los!“ Sie hob hervor, dass dies eine grundlegende Frage der Arbeitsbedingungen sei und appellierte an die Verantwortlichen, in Zusammenarbeit mit den benachbarten Landkreisen Vogelsberg und Wetterau Lösungen zu finden.
Politik der Liberalisierung – Was hat das mit den Arbeitsbedingungen im ÖPNV zu tun?

Jörg Cezanne zeigte die politischen Hintergründe dieser prekären Arbeitsbedingungen auf: „Das ist eine politisch gewollte Situation. Der Markt im ÖPNV ist gespalten. Städtische Betriebe haben häufig noch gute Tarife und Regelungen, aber durch EU-Verordnungen müssen öffentliche Dienstleistungen europaweit ausgeschrieben werden. Das wirtschaftlichste Angebot gewinnt – und das sind meistens Billiganbieter.“
Er erklärte, dass die hessische Landesregierung diese Entwicklung in den 2000er Jahren noch verschärft und private Busunternehmen massiv gestärkt hat. „Sogar Unternehmen in öffentlicher Hand müssen sich diesem Wettbewerb unterordnen und stehen unter dem Druck, Kosten zu sparen – auf dem Rücken der Fahrer:innen,“ kritisierte Cezanne. Außerdem sei Die Linke damals die einzige Partei in Hessen gewesen, die sich gegen diese Entwicklung gestellt habe.
Niedrige Löhne und hohe Belastung – Warum fehlen Busfahrer:innen?
Ahmed Arslan machte deutlich, dass sich die harten Arbeitsbedingungen auch auf den Fahrermangel auswirken: „Es gibt keine qualifizierten Menschen mehr, die den Beruf machen wollen. Man kriegt nur noch einen Burnout.“ Die Schichtwechsel – von Früh- über Mittag- bis Spätschicht innerhalb einer Woche – bringen den Körper durcheinander und machen das Familienleben schwer planbar. „Pro Woche alle drei Schichten. Früh, Mittag, Spät – der Körper spielt verrückt,“ berichtete Ahmed.
Cezanne fügte hinzu: „Die Bezahlung ist zu schlecht, es gibt keine Wertschätzung mehr – weder vom Fahrgast noch vom Unternehmen. Wer kann, wechselt den Beruf. Übrig bleiben nur noch die, die es wirklich nötig haben.“ Besonders migrantische Menschen sind von diesen prekären Bedingungen betroffen, wie Desiree Becker betonte: „Nicht nur im ÖPNV, sondern auch in anderen Bereichen wie in Krankenhäusern erleben wir das immer wieder.“
ÖPNV als öffentliche Dienstleistung – Zeit für ein Umdenken für bessere Arbeitsbedingungen im ÖPNV?

Neben den Arbeitsbedingungen wurde auch grundlegend über den ÖPNV diskutiert. „Der ÖPNV wird sowieso öffentlich finanziert. Der Ticketverkauf deckt ohnehin nicht die Kosten. Jeder Preis ist eine politische Entscheidung über die Bezuschussung des ÖPNV,“ erklärte Jörg Cezanne. Die Linke fordert daher einen ticketlosen und kostenlosen ÖPNV. „Das wäre möglich – wenn der politische Wille da wäre,“ so Cezanne weiter. Er brachte die Einführung einer Vermögenssteuer ins Spiel, die 128 Milliarden Euro jährlich einbringen könnte. Das würde die Finanzierung eines kostenfreien ÖPNV locker ermöglichen.
Desiree Becker betonte, dass der Verkehrssektor ein Schlüssel zur Lösung der Klimakrise sei: „Wir brauchen ein komplettes Umdenken: Schiene statt Autobahn, ÖPNV statt Dienstwagenprivileg. Bus und Zug müssen attraktiver werden, sonst bleiben wir ein Autoland.“
Publikumsfragen und Diskussion – Zeit für Veränderungen
In der Diskussion meldete sich auch das Publikum zu Wort. Ein zentrales Thema war der Fachkräftemangel im ÖPNV. „Mangelt es an Fahrern auch wegen der schlechten Bedingungen?“ lautete eine Frage aus dem Publikum. Ahmed Arslan bestätigte das und berichtete, dass viele Busfahrer:innen den Beruf wechseln, weil die Belastungen zu hoch und die Bezahlung zu niedrig sind. „18,50 Euro pro Stunde – dafür will sich heute keiner mehr kaputt machen,“ so Ahmed.
Ein weiterer Diskussionspunkt war das Deutschlandticket, das als zu teuer kritisiert wurde. Auch der Tarifdschungel im ÖPNV wurde problematisiert, da die unterschiedlichen Ticket- und Preissysteme das Fahren unnötig kompliziert machen. „Am besten wäre ein ticketloser und kostenloser ÖPNV,“ forderte Ahmed.
Fazit – Ein System am Limit
Die Podiumsdiskussion verdeutlichte eindrucksvoll die prekären Arbeitsbedingungen der Busfahrer:innen und die Herausforderungen im ÖPNV. Die derzeitigen Probleme sind das Ergebnis einer politisch gewollten Marktliberalisierung, die auf Kosten der Fahrer:innen geht und das System an seine Grenzen bringt. Darüber hinaus fanden die Forderungen der Linken nach besseren Arbeitsbedingungen, einer besseren Finanzierung und einem kostenlosen ÖPNV großen Anklang im Publikum.
„Wir brauchen ein komplettes Umdenken im Verkehr. Das geht nur mit besseren Arbeitsbedingungen und einem attraktiveren ÖPNV,“ resümierte Desiree Becker.
Ahmed Arslan schloss mit einem Appell an das Publikum: „Vergesst nicht, immer schön nett zu euren Busfahrern zu sein.“
Ausblick für bessere Arbeitsbedingungen im ÖPNV?
Zum Abschluss verwies Jörg Cezanne auf die Notwendigkeit gemeinsamer Aktionen: „2027 laufen viele Tarifverträge aus – lasst uns zusammenstreiken und für bessere Bedingungen kämpfen.“
Die Veranstaltung machte klar: Der ÖPNV braucht dringend eine Reform – sozial, gerecht und klimagerecht. Damit Mobilität für alle möglich bleibt. Aus Kreisen der MITBus GmbH wurde zudem einen Tag später bekannt, dass zukünftig die Arbeitsbedingungen der Busfahrer:innen noch schlechter werden könten: die Geschäftsführung plane eine weitere Streichung von Pausen, weitere Änderung von Dienstplänen, Einführung von 12-h-Schichten und die Abschaffung von Dienstkleidung.